»Früher hatten die Menschen Angst im Gebirge. Da lauerte auf Mensch und Vieh nur der Tod. Bei Gefahr gab es keine schnelle Verständigung, daher hatte jeder Winkel und Fleck einen Namen, um im Notfall für die Rettung die Stelle beschreiben zu können. Und die Namen lassen auf ihre Geschichte schließen, wie der Schützensteig. Den gingen nicht nur die Jäger, auch die Wildschützen nutzten ihn, wie der Bruder meines Urgroßvaters, der Ludwig ›Dölchale‹ Wurmer, den der großherzoglich luxemburgische Jäger Josef Seiler gestellt und erschossen hat. Das Marterl von 1892 habe ich heut noch«, erzählt Matthias Wurmer aus Mittenwald.
Heute ist der Schützensteig eine wunderbare Tour von Mittenwald über die Wettersteinalm bis hin zum Königshaus am Schachen. Schon zu Beginn der schönen Wanderung, wenn ein leiser Trommelwirbel ans Ohr dringt, könnte es bereits am Ferchensee zu einer Vermischung von Mythos und Historie kommen. 1805 scheiterten Napoleons Truppen bei ihrem Vorstoß gen Süden an den Tirolern bei der Porta Claudia, bis der Jäger Adam sie über den heutigen Franzosensteig an der Leutascher Schanz vorbei in den Rücken der Tiroler führte. Die Franzosen hatten sich so grausam gegenüber den Mittenwaldern verhalten, dass die Seelen der Gepeinigten zwischen Elmau und Ferchensee zur Mahnung einen Trommelwirbel ertönen ließen. Die besagte Stelle heißt bis heute »Drumml-Schlaigl-Grom« (Trommelschlegelgraben).
Eine andere der schönsten Wanderungen auf den Spuren Ludwigs II. führt hinauf zu den Soiernseen. Ihren Mythos verdanken sie der romantischen Laune des Königs, in lauen Sommernächten auf einem Segelschiff die eigens für ihn auf den Bergkämmen rundum entzündeten Bergfeuer im nächtlichen Firmament bewundern zu können. Das Segelschiff war für ihn mit Fuhrwerken auf über 1.500 Meter geschafft worden.
Während diese Kuriosa heute nur noch Fußnoten der Geschichte sind, hat der luxemburgische Großherzog Adolph deutliche und sehr positive Spuren hinterlassen. »Das renovierte Haus Schreyögg ist heute noch stolz auf die Bezeichnung "Großherzoglich Luxemburgische Hofbäckerei". 1868 hatte der Großherzog die Jagdpacht rund um Mittenwald erworben und bereits ein Jahr später ein Jagdschloss errichten lassen – mitten im Lawinenstrich«, erzählt Wurmer. 1877 räumte eine Lawine das Schloss weg, Adolph ließ im Bereich der heutigen Vereineralm 23 Gebäude auf der Vereinsalpe errichten. Die Wanderung über den Jägersteig ins Seinsbachtal und durch die Seinsbachklamm zur Vereineralm gehört mit zu den schönsten Wanderungen rund um Mittenwald.